Seit einem Jahr nun ist Miami meine läuferische Heimat. Unglaublich, wie schnell 12 Monate vergehen. Die beste Läuferzeit ist morgens vor Sonnenaufgang, wenn die Temperaturen noch nicht ganz so hoch sind, die Sonne noch nicht vom Himmel scheint und die Luftfeuchtigkeit das Lauftempo bestimmt.

Ich erinnere mich noch genau, dass ich am Anfang erstmal das Laufband im Hotel gequält habe. Hitze und Luftfeuchtigkeit war ich in dem Maße noch nicht gewohnt. Nach ein paar Tagen hatte ich mich akklimatisiert und es ging raus auf die Straße. Die neue Heimat musste erkundet werden. Und das geht läuferisch natürlich am Besten.

Morgens in Brickell am Wasser zu laufen und dem Sonnenaufgang zuzuschauen war etwas, was ich vom ersten Moment an geliebt habe. Für mich gibt es einfach nichts Schöneres, als laufend den Tag zu begrüßen.

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Diese Kraft, die von der aufgehenden Sonne ausgeht, erfüllt mich jedes Mal mit einer tiefen Zufriedenheit. Das war schon in Berlin so. Hier kommt aber noch eine Portion Dankbarkeit dazu, an einem so wunderbaren Ort diese vielen tolle Momente erleben zu dürfen.

Nach unserem Einzug in das angemietete Häuschen habe ich ganz in der Nähe eine tolle Laufgruppe gefunden. Anfangs hatte ich noch ein paar Zweifel. Schließlich entspreche ich mit meinen Lipödem-Beinen nun nicht gerade dem idealen Läufertyp. Auch wusste ich nicht, was mich da trainingsmäßig erwartet. Es wird in verschiedenen Leistungsgruppen nach der Jeff Calloway-Methode trainiert, also Laufen und Gehen im Wechsel. Aus Deutschland kommend war das für mich eine echte Umstellung. Dort ist diese Methode eher den Laufanfängern zugeordnet und das erklärte Ziel heisst irgendwann 5km durchlaufen zu können. Hier in den USA ist das anders und der Rhythmus-Wechsel gehört einfach dazu. Man gewöhnt sich sehr schnell daran und  auch an das gute Gefühl, dass einem diese Lauf-Geh-Wechsel geben. Komische Blicke erntet man so rein gar nicht. Denn schließlich machen das rund 80% der Läufer hier genauso. Plus in einer Gruppe fällt man nicht auf. Hier geht es einfach um den Spaß am Laufen, um die Bewegung und um das Miteinander. Zwei Mal in der Woche treffen wir uns abends zu einem kleinen Läufchen. Highlight bleiben aber die gemeinsamen samstäglichen Läufe früh morgens. Meistens gegen 6 Uhr treffen sich rund 150 Läufer, um eine bestimmte Anzahl von Meilen zu laufen. Dabei ist es egal, wie schnell oder wie langsam man läuft. Fühlt man sich gut, geht man mit der schnelleren Truppe los. Merkt man dann unterwegs, oh das passt heute doch nicht, lässt man sich zurückfallen und wird von der nächsten etwas langsameren Gruppe aufgenommen. Den Laufrhythmus geben die Teamleader vor und ganz easy passt man sich an den Rhythmus an.

Da muß ich gleich wieder an Deutschland denken, als wir im Mai auf Urlaub dort waren. Ich habe in Mannheim am Halbmarathon im Rahmen des Dämmermarathons teilgenommen. Locker bin ich in meinem 3 Minuten laufen-1 Minute gehen-Rhythmus gestartet. Bei km 5, ich war gerade in einer Gehphase, feuert mich ein schnellerer Läufer an: „du packst das. Es ist nicht mehr weit.“ Ich musste schon sehr schmunzeln. Denn was für ihn nach Erschöpfung aussah, war einfach nur mein ganz normaler Rhythmus.

Aber zurück nach Miami. Mittlerweile gehören die Straßen von Coral Gables und Coconut Grove zu meiner Heimstrecke. Hier kenne ich jede Palme. 🙂 Morgens trifft man unterwegs die unterschiedlichsten Kategorien an Läufern. Jeder grüßt, ist freundlich und ab und an gibt es auch ein High Five und gegenseitige Anfeuerungen. Sowas ist mir in Berlin noch nie passiert. Da traf man entweder auf die gehetzten Rennmäuse oder auf den Typ Läufer, der gerade in dem Moment, wo man aneinander vorbeiläuft, ganz wichtig auf seine Sportuhr schauen muss, um bloss nicht grüssen zu müssen.

Der Laufladen über den die Laufgruppe organisiert wird, stellt jeden Samstag Wasser und Elektrolyte-Getränke in großen Bottichen zur Verfügung. Einmal direkt am Laden, wo die Läufe immer beginnen und enden, sowie an einem Kreisel zwei Meilen vom Laden entfernt. Aber die sind nicht nur für uns Laufgruppen-Mitglieder, sondern dort kann sich jeder bedienen egal ob Läufer, Walker oder Rennradfahrer. Kommt man mit der Gruppe z. B. am Kreisel an, ist das immer ein großes Get-Together und man sieht viele zufriedene Gesichter. Wenn wir dann in der Trainingsvorbereitung für einen Halbmarathon bzw. Marathon sind und die Strecken in den zweistelligen Bereich gehen, werden noch zusätzlich die sogenannten „Towel Angels“ eingesetzt. Auf der Hälfte der Strecke stehen dann die Besitzerin des Laufladens und eine langjährige Mitarbeiterin bereit und reichen neben Getränken auch noch schön in Eiswasser getränkte Handtücher zum Kühlen. Ich kann Euch sagen, diese Tücher sind einfach göttlich und die Ladies verdienen einfach den Titel Angels. 🙂

Zwischendurch wird dann auch mal die Samstagsroutine geändert und wir treffen uns in Key Biscayne am Sea-Aquarium. Von dort geht es Richtung Coconut Grove über den Rickenbacker Causeway. Wenn es noch dunkel ist, hat man auf der Hintour einen wunderschönen Blick auf die nächtlich erleuchtete Skyline Miamis.

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Auf der Rücktour wird man oben auf der Brücke mit einem tollen Sonnenaufgang belohnt. Zum Abschluss, wenn sich alle Laufgruppen wieder am Sea-Aquarium treffen, wird gemeinsam gefrühstückt mit frischem Obst, Samosas, Donuts und vielem mehr. Man fühlt sich einfach wie in einer großen Familie. Das ist ein ganz wunderbares Gefühl.

Läuferisch bin ich also angekommen. Ich muss keinen Bestzeiten hinterher hecheln und mir irgendwas zu beweisen. Es macht einfach Spaß mit vielen Gleichgesinnten an einem Samstagmorgen durch Miami zu laufen. Jeder ist willkommen und ganz gleich welches Handicap jeder einzelne mit sich rumträgt, uns alle verbindet das Laufen und das ist das Einzige, was zählt. Für mich als Läuferin mit Lipödem ist das wahrlich ein Geschenk und ich freue mich riesig auf die Marathonvorbereitung mit der Gruppe, die im September beginnt.

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Aber nicht nur Miami ist ein Läuferparadies. Wer einmal die Möglichkeit hat, an einer Laufveranstaltung in den USA teilzunehmen, sollte dies unbedingt tun. Dabei ist es egal, ob es kleinere Läufe wie z. B. in Sunrise (schon allein wegen des Namens muss man dort mal laufen inkl. Sonnenaufgang)

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oder gut organisierte Events wie die Disneyläufe sind.

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Es ist immer eine große Party und jeder wird gefeiert.

In diesem Sinne geniesst das Laufen und habt Spaß!

Viele Grüße,

Yvonne