Seit ich denken kann, hatte ich Probleme mit meinem Körpergewicht. In der Mädchenclique bei uns auf dem Land war ich immer die „kleine Dicke“ neben all den hippen Mädels. Die Rolle der besten Freundin, der man alles erzählen und auf die man sich immer verlassen kann, war mir quasi auf den Leib geschneidert. Lange Zeit war das auch ok für mich. Mit jedem Kilo mehr auf meinen Rippen wuchs mein Panzer und Mantras wie „ich fühl mich wohl, so wie ich bin“ gehörten zur Tagesordnung. Ich mußte 35 Jahre alt werden, bis ich nach diversen Diätversuchen und den damit verbundenen JoJo-Effekten eingesehen habe, dass 125 kg bei einer Größe von 1,64 m nicht gesund sein können. Auch mit Wohlfühlen hat es nicht mal ansatzweise etwas zu tun!
2013 habe ich endlich „Nein“ gesagt und mich auf die Reise zu meinem neuen Ich begeben. Der Weg war bestimmt nicht leicht und oft auch schmerzhaft. Aber da ich jahrelang meinen eigenen Körper so dermaßen gequält habe, konnte ich auch nicht erwarten, dass es so einfach von der Hand gehen und ich die angefutterten Kilos ruchzuck wieder los sein würde.  Mit viel Disziplin, Schweiß und auch einigen Tränen habe ich in zwei Jahren 40 kg abgenommen und seit 2015 versuche ich mein Gewicht zu halten so gut es geht. Kleine Schwankungen kann ich mittlerweile gut ausbalancieren.  Ich habe mit kleinen Schritten angefangen und ja, ich habe oft geflucht. Aber dieser Kampf hat sich definitiv gelohnt. Was mir hilft, ist meine 2015 entfachte Liebe zum Laufen! Denn manchmal braucht es im Leben einen Schubs und Dein Leben nimmt eine Wendung, von der Du früher nie etwas geahnt hättest. Mein Schubs waren Kollegen, die an einem 10km-Lauf teilnehmen wollten und mich fragten, ob ich nicht auch mitlaufen wolle. Puuuuh, was hat es mich Überwindung gekostet, mich für dieses Rennen anzumelden. Aber ich habe es getan und das Gefühl nach diesen 10km war das Beste, was ich je erlebt habe. Zu dem Zeitpunkt standen wir kurz vor unserem Umzug von Jordanien nach Berlin. Also nach dem erfolgreichen Finish ab ins Auto, kaum wieder zuhause angekommen habe ich erstmal das Internet durchforstet nach Laufveranstaltungen für Berlin. Ich war infiziert und ich wollte dieses tolle Gefühl nach einem erfolgreich beendeten Lauf einfach wieder erleben.

Wie es der Zufall so wollte, fing eine liebe Freundin auch gerade wieder mit dem Laufen an. Also schmiedeten wir den waghalsigen Plan, im August 2016 beim Sportschecklauf in Steglitz gemeinsam den Halbmarathon zu laufen. Passte ja super. Unser Umzug war Ende Juli/Anfang August 2015 – ein Jahr Vorbereitungszeit wäre also perfekt. Ich freute mich schon tierisch darauf, Berlin in den kommenden zwölf Monaten laufend zu erkunden.

Und dann passiert zwischendrin das Leben und noch so gute Pläne müssen über den Haufen geworfen werden. So auch unser Plan vom Halbmarathon 2016, der kurzerhand umgeschmissen und zum Halbmarathon 2015 wurde. Ja, drei Wochen nach unserer Ankunft in Deutschland standen wir Mädels in Steglitz an der Startlinie für 21,095 km. Wie bekloppt eigentlich! Ich war mitten im Umzugsstress, meine Freundin hatte fiese Rückenprobleme und an optimale Vorbereitung für einen solchen Lauf war bei uns beiden in den Vormonaten nicht zu denken. Aber egal, wir hatten abgemacht, zusammen unseren 1. Halbmarathon zu laufen. Der Startschuß fiel und wir liefen los. Ich hatte vom ersten Meter an Gänsehaut. Diese Stimmung entlang der Strecke – Hammer! Nach ungefähr 2 h 35 Minuten bin ich über die Ziellinie gelaufen und hab geheult wie ein Schloßhund. Rund zweieinhalb Jahre nach meinem Entschluß mein Leben umzukrempeln, habe ich meinen ersten Halbmarathon gefinished. Ich war einfach nur megahappy und längst mit dem Laufvirus infiziert.

Wer die Möglichkeit hat, mal in Berlin an einer Laufveranstaltung teilzunehmen, dem kann ich nur raten – unbedingt machen! Die Stimmung bei den Veranstaltungen dort ist echt toll und das Publikum ist einfach super motivierend.

Über diverse 10km- und Halbmarathonläufe bin ich dann im September 2016 zum Marathoni geworden. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal freiwillig 42 km durch die Gegend laufen würde. Aber wenn man einmal Blut geleckt hat und das hatte ich nach dem Halbmarathon definitiv, will man auch mehr. Und Facebook und Konsorten machen es einem ja auch so einfach. Werbung für eine Laufveranstaltung hier, für eine andere Laufveranstaltung da. Tja so kam es also, dass ich über die Anmeldung zum Losverfahren des Berlin-Marathons gestolpert bin. Richtig überlegt habe ich gar nicht lang. Ok mal in mich gehört, was mein Bauchgefühl zu der Idee sagt. Aber mehr auch nicht. Also Anmeldung ausgefüllt, abgeschickt und dann kam die Schnappatmung „du bist total bekloppt“ gefolgt von dem Gefühl „da bewerben sich so viele, Du wirst sowieso nicht ausgelost“. Meinem Mann habe ich dann abends von der Anmeldung erzählt und gleich hinterher geschoben, dass das nix wird, weil die Bewerberzahlen viel zu hoch sind. In seiner typischen Art sagte er nur, dass bei meinem Glück ich auf jeden Fall einen Startplatz erhalten werde. Er sollte recht behalten! Anfang Dezember 2015 kam per  Email die Zusage für den Berlin-Marathon 2016.

Von nun war das Wort Komfortzone tabu. Wer sich auf einen Marathon vorbereitet, kennt diesen Begriff nicht!