Manchmal fühle ich mich wie dieser kleine grinsende Buddha.
Von außen betrachtet kann ich mir gut vorstellen, dass man mich für freakig hält, weil ich meditiere, Qigong praktiziere und Yoga mache. Eine Vorstellung, die mich erstmal herzhaft über mich selbst lachen lässt. Warum? Zum Einen tut es gut, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und auch mal über sich selbst zu lachen. Aber der wesentliche Punkt ist wohl eher der, dass ich genau diese Leute, die meditieren und Yoga oder Qigong machen, noch vor zehn Jahren selbst für Freaks gehalten habe. Mir hat sich das Ganze einfach nicht erschlossen. Heute sehe ich das natürlich alles ein wenig anders und es hat Zeit gebraucht, dass zu verstehen. Und ja, ich musste auch einfach älter werden, um das tägliche Meditieren schätzen zu lernen.
Aber wie kam es dazu und was macht es mit mir?
Ende 2017 kurz nach meiner Diagnose Lipödem, wir lebten noch in Berlin, besuchte ich ein Seminar im Rahmen eines Bildungsurlaubs und kam dort das erste Mal so richtig mit Meditation, Qigong und dem Thema Achtsamkeit in Berührung. Ich habe gar nicht gemerkt, wie unsere schnelllebige Zeit mit all ihrem digitalen Fortschritt, der permanenten Erreichbarkeit, an drei verschiedenen Orten zur gleichen Zeit sein und dabei vier Dinge gleichzeitig erledigen zu wollen auch an mir gezehrt hat.
Achtsam mit sich selbst sein, hört sich so verdammt einfach an, ist aber schwer in einer normalen Alltagswelt mit Familie, Job und sonstigen Verpflichtungen hinzubekommen. Scheinbar war ich aber zur rechten Zeit am rechten Ort, um einem völligen Kollaps vorzugreifen. Was ich in dieser einen Woche gelernt habe, hat bei mir etwas in Gang gesetzt. Die Abgeschiedenheit der ostfriesischen Nordseeinsel Borkum hat natürlich auch das Seinige dazu getan, um mich auch wirklich nur auf mich zu konzentrieren. Es hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, bei sich zu sein und einfach mal zu sagen: jetzt zähle nur ich und sonst keiner! Wer mich kennt, weiss, dass ein solcher Satz eigentlich nicht in mein alltägliches Repertoire passt. Erst müssen sich alle anderen Wohlfühlen, bevor ich überhaupt mal daran denke, wie ich mich wohlfühlen könnte. Mein Mann beschreibt das als Weltretter- oder auch Helfersyndrom, was mir genetisch dankenswerterweise mit in die Wiege gelegt wurde. Diese 6 Tage also waren eine absolut neue Erfahrung für mich.
Die größte Herausforderung jedoch bestand darin, das Erlernte aus der Woche in die reale Welt zu transportieren und auch anzuwenden. Mit kleineren Unterbrechungen oder Änderungen der Abläufe habe ich es glücklicherweise hinbekommen. Aber es brauchte noch ein weiteres Seminar, welches ich drei Monate nach meinem Borkumaufenthalt besuchte. Diesmal führte mich der Weg in den Odenwald zu einem Schweigeseminar. Wie gesagt, vor zehn Jahre hätte ich mich selbst als Freak bezeichnet und bestimmt mutet es auch für den Einen oder Anderen seltsam an, dass man solche Wege geht. Ich kann da nur für mich sprechen und sagen, für mich war dieser Weg genau richtig und auch immens wichtig. Dieses Wochenende im Odenwald hat mich darin bestärkt und mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, auf sich und seinen Körper zu achten, sich so anzunehmen und auch zu lieben. Neben einigen familiären Erlebnisse, die ich während des Seminars innerlich für mich aufarbeiten konnte, habe ich auch ein neues Gefühl für mich und meinen Lipödem-Körper bekommen. Erfahrungen, die die jüngere Yvonne einfach nicht gemacht hätte, weil sie nicht bereit dafür gewesen wäre. Heute meditiere täglich, praktiziere Qigong regelmäßig und Yoga ist eine super Ergänzung zu meinem Lauftraining.
Habt Ihr schon mal Qigong ausprobiert?
Es ist einfach wunderbar. Für mich deswegen ideal, weil ich mit den sanften und fließenden Bewegungen morgens meine schweren Lipödembeine in Schwung bekomme. Ich spüre wie das tägliche Anwenden sich positiv auf meinen Körper auswirkt. Schließlich ist diese uralte Kombination aus Atem-, Bewegungs- und Meditationsübungen Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin. Auch gibt es eine tolle Faszien-Variante, die ich gern nach meinen langen Läufen anwende.
Und wie sieht es mit Meditation aus?
Jon Kabat-Zinn beschreibt Meditation wie folgt:
„ Bei der Meditation geht es nicht um den Versuch, irgendwo hinzugelangen. Es geht darum, dass wir uns selbst erlauben, genau dort zu sein, wo wir sind, und genau so zu sein, wie wir sind, und desgleichen der Welt zu erlauben, genau so zu sein, wie sie in diesem Augenblick ist.“
Wie ich finde eine sehr treffende Beschreibung. Für mich bedeutet Meditation, einfach da zu sein – ohne Ziele, Absichten und Aufgaben, etwas tun zu müssen. Ich kann dabei den ständigen Strom der Gedanken zur Ruhe kommen lassen. Ich übe während einer Meditation Achtsamkeit und Bewusstheit für den Alltag. Außerdem lerne ich bewusst auszuhalten: Empfindungen, Gefühle und Gedanken. Es ist nicht immer einfach und jede Meditation ist anders.
Ich bin auch sicherlich nicht perfekt in der Ausführung, sei es beim Qigong, Yoga oder in der Meditation. Aber ich weiß, dass mir diese Form der Achtsamkeit körperlich und seelisch einfach gut tut. Es lehrt mich, meine gesundheitliche Situation anzunehmen und aus der Gegebenheit Positives zu ziehen. Es gibt mir die Stärke, nicht aufzugeben und weiter mit Freude und Spaß dem Laufen nachzugehen.
Hast Du Dich schon mal mit dem Thema Achtsamkeit auseinandergesetzt? Was waren Deine Erfahrungen?
Viele Grüße,
Yvonne