Probleme mit dem Alter habe ich noch nie gehabt. Ich glaube, ich war eine der Wenigen, die sich gefreut hat endlich 30 zu werden. Tja und nun bin ich Anfang 40 und finde, dass es ein tolles spannendes Alter ist und ich genieße jeden Augenblick. Okay fast jeden Augenblick. 😉

227010_5142983042_1369_n(Mein 30. Geburtstag!)

Blicke ich gute 25 Jahre zurück, war das nicht immer so. Gut kann ich mich noch an den Tag erinnern, als ich meine erste Brille verpasst bekam. KATASTROPHE, sag ich Euch. Damals in den Neunzigern gehörte es definitiv nicht zum alltäglichen Chic der Teens und Twens, sich Brillen mit Fensterglas als modisches Accessoire zu holen und um besonders intellektuell auszusehen. Für uns galten andere Dinge als wichtiger, z. B. Doc Martens tragen, Haare bunt färben und auf jeden Fall in irgendeiner Art und Weise gegen die „Spießigkeit der Alten und des Dorflebens“ zu rebellieren. Auf den Feten und Rockfestivals saßen wir auf der Tanzfläche, haben gemeinsam „We will rock You“ geklatscht,  sind abgegangen zu Thunderstruck und haben im Kreis zu „Was wollen wir trinken“ getanzt. Da hatte eine Brille definitiv keinen Platz. Meine erste Brille wanderte also immer schön in die Tasche, wurde erst aufgesetzt, als ich im Büro war und fünf Minuten vor Feierabend wieder ab in die Tasche. Es war einfach nicht cool und blöde Kommentare will man sich als Teenager nicht anhören.

Irgendwann habe ich doch tatsächlich vergessen, die Brille abzunehmen. Ohne es wirklich zu merken, habe ich sie von da an durchgehend getragen. Lag wohl daran, dass keine Kommentare kamen und ich es als nicht mehr so schlimm ansah. Das Alles ist nun schon über zwanzig Jahre her. Über die Jahre hat sich meine festgestellte Kurzsichtigkeit auch verändert. Das Gleiche trifft auch auf die Brillengestelle zu. Denn schließlich ist so eine Brille doch ein tolles modisches Accessoire. 😉

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In letzter Zeit musste ich jedoch feststellen, dass da irgendwas nicht mehr so richtig stimmte. Zum Lesen nahm ich die Brille lieber ab, weil ich dann besser gucken konnte. Also war klar, unser erster Gang nach der Ankunft in Deutschland galt dem Optiker. Wäre ja super gewesen, wenn man nach elf Stunden transatlantischem Flug ins Hotel fahren und sich erstmal auf´s Bett legen könnte, um ein wenig zu dösen. Pustekuchen – schließlich sind die Zimmer erst ab 14 Uhr frei. Na wenigstens die Koffer konnten wir abstellen.

Nun aber zurück zum Optiker. Völlig übermüdet aber pünktlich um 9.30 Uhr stiefelte ich gemeinsam mit meinem Mann also in das Geschäft. Wir haben vermutlich ein ziemlich lustiges Bild abgegeben, so zerknautscht wie wir waren. Auf jeden Fall kamen wir mit dem Herrn gleich direkt super ins Gespräch. Die erste Herausforderung bestand gleich darin, ein Brillengestell auszusuchen. Herrjemine, nach unzähligen Jahren mit randlosen Gestellen sollte es nun mal etwas anderes sein. Gar nicht so einfach! Nach einer gefühlten Ewigkeit, danke an dieser Stelle an den Optiker für seine Geduld, ging es dann weiter zum Sehtest. Wir plauderten über Dieses und Jenes. Zwischendurch las ich verschiedene Buchstabenreihen vor und auf einmal hörte ich nur: GLEITSICHT!

WHAAAAATTTT?????? Ein Wort und schlagartig war ich alt. Sagten nicht alle immer, Vierzig sei das neue Zwanzig? Also ich kenne keine Zwanzigjährige, die eine Gleitsichtbrille trägt. Außerdem tragen doch nur alte Menschen solche Brillen, aber doch nicht ich.

Aber dann wurde mir klar, tja Yvonne Du bist eben doch keine Zwanzig mehr. In den Zeiten als wir Mädels dreimal die Woche losgezogen sind, hieß unser zweites Zuhause Isla Blanca (gibt es mittlerweile schon nicht mehr) und Land-Feten waren unser Ding (auch die gibt es kaum noch). Heute bin ich froh, wenn ich abends nicht nochmal unbedingt los muß. Und wenn ich in mein Heimatdorf komme, wundere ich mich, wer schon alles Auto fahren darf.

Der erste Schrecken verflog also, unser Gespräch nahm wieder Fahrt auf. Wir haben sehr viel gelacht und irgendwie war das Wort Gleitsicht relativ schnell vergessen. Ok, das könnte auch an dem Glas Schampus gelegen haben, das der Optiker nach zwei Stunden Beratung noch ausgegeben hat. Zweieinhalb Wochen später konnte ich meine neuen Brillen abholen. Was soll ich sagen? Ich liebe sie!

Nein, ich bin keine 20. Und wenn ich ganz ehrlich bin, möchte ich das auch nicht mehr sein. Es gibt immer Momente oder Ereignisse, woran man das merkt. Und ich rede hier nicht nur von den grauen Haaren, die sich ihren Weg an die Oberfläche bahnen. Da bin ich im Übrigen auch sehr konsequent und verzichte auf´s Färben. Schließlich geben die Zwanzigjährigen heutzutage eine Menge Geld dafür aus, um graue Haare zu haben. Ich kann sagen, ich liebe mein jetziges Alter. Denn heute mit Ü40 weiß ich mehr denn je zu schätzen, was ich habe. Ich habe einen wunderbaren Mann an meiner Seite, mit dem ich wunderbare Dinge erleben darf. Ich habe tolle Freunde (alte und neue), die mein Leben um ein Vielfaches bereichern. Ich habe eine tolle Familie, die sich aufgrund der Entfernungen zwar nicht so oft sieht, aber im Notfall immer zusammenhält. Und nicht zu vergessen, ich habe ein tolles Hobby, dass mich an die unterschiedlichsten Orte bringt, durch das ich ganz tolle Menschen kennenlernen durfte und das ich überall ausüben kann.

DANKE also an all die wunderbaren Menschen in meinem Leben. Ich bin sehr froh und dankbar, dass es Euch gibt!

Eure Yvonne